
Antarktis 2015
Tag 15 (18.12.2015) - Paradise Bay/Port Lockroy
Sonnenaufgang: 02:22 Uhr | Sonnenuntergang: 00:08 Uhr
Temperatur: Luft 2°C | Wasser 0°C | Wind Beaufort: NE 4 | Seemeilen: 3068 nm
«Das Paradies» am Morgen und bis zum südlichsten Punkt unserer Reise
Paradise Bay

In den frühen Morgenstunden präsentiert sich uns einmal mehr die zauberhafte Bergwelt der Antarktischen Halbinsel: die Hanseatic fährt um 6:30 Uhr in die Paradise Bay. Die Paradise Bay ist eine weite Bucht im Westen des antarktischen Grahamlands an der Danco-Küste. Vorgelagert sind die Lemaire-Insel und die Bryde-Insel. Wie diese Bucht zu ihrem Namen kommt, ist nicht bekannt, er wurde allerdings bereits von Walfängern in den 1920er Jahren genutzt und hat sich dann im Sprachgebrauch durchgesetzt – und wir können es auf jeden Fall bestätigen: es handelt sich hier wirklich um einen paradiesisch schönen Naturhafen!

Im Jahr 1951 wurde hier die argentinische Forschungsstation «Almirante Brown» erbaut. Seit Mitte der 1960er Jahre wurde die Station, heute «Station Brown», dauerhaft und ganzjährig durch das «Argentine Antarctic Institute» besetzt und genutzt. Als ein Stationsarzt im April 1984 die Nachricht erhielt hier den Winter verbringen zu müssen, brannte er die Station in seiner Verzweiflung nieder. Argentinien baute die Station wieder auf – jetzt wird sie allerdings nur noch in den Sommer-Monaten besetzt.

Vielleicht ist es noch zu früh im Jahr, denn wir treffen leider niemanden an… setzen aber noch einmal – im Gummistiefel! – den Fuss auf den Antarktischen Kontinent! Nach diesem denkwürdigen Moment machen wir noch eine rund einstündige Zodiactour in der Bucht. Wir fahren zu einem Gletscher, geniessen die Fahrt zwischen den treibenden Eisbruchstücken und sind einmal mehr einfach nur fasziniert von dieser pittoresken «Eis-Landschaft». Wie klein wir in unseren Zodiacs in dieser imposanten Landschaft doch sind...
Gegen 10:00 Uhr sind wir alle zurück an Bord der Hanseatic und unsere Fahrt geht mit Kurs auf Port Lockroy weiter.


Gerade als wir das Mittagessen beendet haben – wir befinden uns gerade in der Gerlache Strait – wird eine Gruppe von Orcas gesichtet. Wir sind begeistert vom Anblick der Tiere. Leider ist das Treffen nicht sehr lange, aber wir haben sie recht nahe am Schiff beobachten und ganz deutlich dabei hören können.

Port Lockroy – leider nur über Funk

Am frühen Nachmittag wird das Eis immer dichter. Im Neumayer-Kanal ist die Eisbedeckung dann so dicht, dass wir nur sehr langsam voran kommen. Gegen 15:00 Uhr kommt Port Lockroy in Sicht und Kapitän Carsten Gerke schafft es die Hanseatic bis auf etwa drei Seemeilen an die kleine Station heran zu steuern.

Port Lockroy ist ein 800m langer Naturhafen an der Westküste von Wiencke Island. Der Hafen wurde 1904 bei einer französischen Antarktisexpedition, unter der Leitung des Polarforschers Charcot, entdeckt und von ihm nach dem französischen Politiker Edouard Lockroy, durch dessen Unterstützung die französische Regierung diese Expedition bewilligte, benannt. Wie so viele Orte «hier unten», diente auch dieser Naturhafen später dem Walfang, ausserdem für britische Militäroperationen im Zweiten Weltkrieg: auf Goudier Island, einer Insel in dieser Bucht, errichteten die Briten 1943/44 während der «Operation Tabarin» die meteorologische «Station A», die bis 1962 dauerhaft und ganzjährig besetzt war. Nachdem die Station etwa 30 Jahre ungenutzt war, wurde sie 1996 renoviert und restauriert und dient heute als Museum. Ausserdem beherbergt die Station heute ein durch den «United Kingdom Antartic Heritage Trust» betriebenes Postamt und einen Souvenirladen. Im Sommer öffnen Museum, Souvenirladen und Postamt ihre Pforten für Touristen und finanzieren so die Erhaltung des Ortes mit. Port Lockroy und die «Base A» wurden gemäss Antarktis-Vertrag als Historic Site and Monument No. 61 unter Schutz gestellt.
Heute Nachmittag kann mit den Stations-Bewohnern Port Lockroys allerdings nur über Funk kommuniziert werden – die Shopping- und Museumstour bleibt uns verwehrt: das dichte Eis verhindert eine Anlandung! Wir erfahren über Funk, dass aufgrund des dichten Eises in den vergangenen drei Wochen kein Schiff mehr dort gewesen ist. Uns bleibt also nur der Blick durch unser Fernglas zur Station… so schade!

Lemaire Kanal und der südlichste Punkt unserer Reise: 65°07,9’S
MS Hanseatic dreht ab und nimmt Kurs auf den Lemaire Kanal. Etwa 2 Stunden später erreichen wir das Kap Renard, die nördliche Einfahrt des Lemaire Kanals. Der Lemaire Kanal ist eine Meerenge zwischen der Antarktischen Halbinsel und der vorgelagerten, acht Kilometer langen Booth Island. Der Kanal hat eine Länge von etwa 6 Kilometer, ist an seiner schmalsten Stelle nur etwa 720 Meter breit und gilt als einer der landschaftlich schönsten Gebiete der Antarktis. Die Berge, die den Kanal säumen, erheben sich bis zu einer Höhe von 1000 Metern.

Die Meerenge wurde 1873 vom deutschen Kapitän Eduard Dallmann entdeckt, benannt aber erst 25 Jahre später, als 1898 der Belgier Adrien de Gerlache sie durchfuhr. Gerlache benannte sie nach seinem belgischen Landsmann, dem Afrikaforscher, Charles Françoise Alexandre Lemaire.
Die Passage des Lemaire Kanals wird immer mal von blockierenden Eisbergen verhindert – heute sieht es allerdings so aus, als würden Wind und dichtes Schneetreiben mit extrem geringer Sicht unsere Passage unmöglich machen. Plötzlich klart es innerhalb weniger Sekunden auf und unsere Durchfahrt, obwohl sich auch heute einige Eisberge in der engen Fahrrinne befinden, wird möglich. Unter diesen Umständen bedeutet diese Passage für unseren Kapitän und seine Offiziere höchste Anspannung.
Bei der faszinierenden Durchfahrt hat man das Gefühl man kann die Hänge und Gletscher anfassen. Um 17:39 Uhr erreicht MS Hanseatic das Ende der spannenden Passage und gleichzeitig die südlichste Position unserer Reise: 65°07,9’S! Kurz darauf dreht MS Hanseatic bei und geht auf Gegenkurs.

Zum Ausklang dieses ereignisreichen Tages treffen wir unsere Experten zu einem Precap und lassen diesen ereignisreichen Tag in der Antarktis nach dem Abendessen musikalisch ausklingen.